Das aktuelle politische Buch
Karin König
Die Freiheit ist mir lieber als mein Leben
Hermann Flade – Eine Biographie
Lukas Verlag, Berlin 2020, 200 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, broschiert; Preis 19,80 Euro, ISBN 978-3-86732-353-6
Der frühe Widerstand gegen die SED-Diktatur droht mehr und mehr zu
verblassen. Die Zeitzeugen, die sich Ende der 1940er und Anfang der
1950er Jahre gegen den Verlust von Freiheit und Demokratie eingesetzt
haben, sind kaum noch vorhanden. Gerade deshalb ist das Buch von Karin
König so wichtig. Nur wenige erinnern sich an den damaligen Oberschüler
Hermann Flade, gegen den im Januar 1951 vom Landgericht Dresden ein
Urteil gesprochen wurde, das ein Justizverbrechen darstellt.
Als am 15. Oktober 1950 die völlig undemokratischen Wahlen zur
Volkskammer in der DDR stattfanden war Hermann Flade 18 Jahre alt. Aus
Protest fertigte er Flugblätter an und verteilte sie in seinem Wohnort
Olbernhau im Erzgebirge. Als er dabei von der Volkspolizei gestellt
wurde, wehrte er sich mit einem Taschenmesser, was ihm das Gericht als
Mordversuch vorwarf. Das Urteil, das auf höhere Weisung erfolgte,
lautete auf Todesstrafe. Ein unmittelbar einsetzender weltweiter
Protest bewirkte, dass bereits nach knapp drei Wochen eine
Revisionsverhandlung stattfand und das Urteil auf 15 Jahre Zuchthaus
geändert wurde. Für zehn Jahre hielt die DDR Flade in ihrer Gewalt
gefangen.
Die Autorin befasst sich bereits seit vielen Jahren mit dem Thema. In
dem im Beck-Verlag 2002 erschienenen Buch "Opposition und Widerstand in
der DDR – Politische Lebensbilder", herausgegeben von Karl Wilhelm
Fricke, Peter Steinbach und Johannes Tuchel, stell sie Hermann Flade
vor. In dem jetzt vorliegenden Buch beschreibt Karin König in ihrer
ergreifenden und sehr detaillierten Darstellung den ganzen Lebensweg
von Hermann Flade bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1980. Darin
beleuchtet sie ganz besonders sein uneingeschränktes Engagement für
Recht und Freiheit. In einem einführenden Kapitel wird die damalige
politische Entwicklung unter der Überschrift "Die DDR im Jahr 1950"
zusammengefasst. In ihren Nachbemerkungen fragt die Autorin dann nach
dem Sinn des Widerstands und schließt "ohne die Proteste, ob als
Einzelner oder in einem Volksaufstand, sähe die Geschichte der ehemals
sozialistischen Länder anders aus".
Der frühe Widerstand gegen die aufkommende zweite deutsche Diktatur, an
dem Oberschüler und Studenten einen hohen Anteil haben und der im
Volksaufstand am 17. Juni 1953 seinen Höhepunkt hatte, hat die
DDR-Führung für ihre gesamte Existenzzeit verunsichert. Die Angst vor
dem eigenen Volk hat sie begleitet bis in den Herbst 1989.
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©VERS 2002 - 2021 letzte Änderung: 02.01.2021